Warum hat mein Nachbar für den gleichen Sitz nur die Hälfte gezahlt?

Wer es genau wissen möchte, der muss das Problem an der Wurzel packen. Daher beginnen wir bei den Basics.

1. Buchungsklassen

Jeder Flug wird in Buchungsklassen unterteilt (Buchstaben) und diese haben Verfügbarkeiten, die in Zahlen angezeigt werden. D.h.:

  • 1 = ein verfügbarer Sitz
  • 2 = zwei verfügbare Sitze
  • 3 = drei verfügbare Sitze, usw.
  • 9 = neun oder mehr verfügbare Plätze
  • L = Buchungsklasse nur als Warteliste verfügbar
  • C = Buchungsklasse wurde für den Verkauf geschlossen

Im unteren Bild siehst du, wie einzelne Flüge in den Reservierungssystemen der Airlines und Reisebüros aussehen.

Buchungsklassen mit Verfügbarkeiten

In diesem echten Beispiel haben also fast alle Buchungsklassen eine Verfügbarkeit von 9 oder mehr Plätzen. Die Nachfrage für diesen Flug nach New York ist demnach sehr gering und die Verfügbarkeit für dich nahezu perfekt. Jede Buchungsklasse wird einer Beförderungs- oder Serviceklasse genau zugeordnet. Hier habe ich für dich die Unterteilung für dieses Beispiel markiert.

Buchungsklassen und ihre Einteilung in die Serviceklassen können sich je nach Airline unterscheiden.

Hinter jeder Buchungsklasse steht ein (oder mehrere) Tarif(e)/Preis(e) mit dazugehörigen Tarifbedingungen, die sogenannten Fare Rules. Umso günstiger die Buchungsklasse, desto strenger sind die Tarifbedingungen die ihr zugrunde liegen.

Günstige Buchungsklassen zeichnen sich meist durch folgende Eigenschaften aus:

  • Vorausbuchungsfrist – Tarife sind nur bis 21/14/10/7 Tage vor Abflug buchbar.
  • Mindestaufenthalt – Man muss einen gewissen Zeitraum bis zum Rückflug am Zielort bleiben. Oft ist das ein Wochenende oder einige Tage.
  • Maximalaufenthalt – Teure Tarife haben eine Gültigkeit von bis zu einem Jahr, während günstige Tarife weniger lang (z.B. einen Monat) gültig sind.
  • Saisonzeiten – Der Verkauf ist auf eine bestimmte Periode begrenzt.
  • Hohe Storno- und Umbuchungsgebühren

2. So entsteht dein Preis

Alles steht und fällt also mit diesen zwei Faktoren: Verfügbarkeiten und Fare Rules.

Hier eine vereinfachte Staffelung von Flugpreisen (netto) nach Buchungsklassen für einen Langstreckenflug:

Vereinfachte Preisstaffelung für einen Langstreckenflug

Diese Nettopreisstaffelung gilt zwar nur für Hin- und Rückverbindungen (s.o. „RT“) auf einer bestimmten Strecke, erfüllt aber als Beispiel ihren Zweck. Unser Ziel sollte es also sein, in der gewünschte Serviceklasse die Buchungsklasse zu erwischen, die am weitesten rechts steht, also im obigen Beispiel „K“ für die Economy.

Wir brauchen also Verfügbarkeiten und wir müssen uns gleichzeitig für diese Verfügbarkeit qualifizieren. Was ich damit meine, zeige ich dir an einem erdachten Beispiel.

Wir treffen folgende Annahmen für dieses Szenario:

Erste Annahme:
  • Heute ist der 20.02. und wir möchten am 01.03. nach Singapur
  • Wir brauchen nur ein Oneway-Ticket
Verfügbarkeiten nach Singapur

Wir stellen fest, die Verfügbarkeit ist schon nicht mehr so perfekt wie im obigen Beispiel. Die Klassen „L“ und „K“ sind bereits ausverkauft und auch in der Premium Economy werden die Plätze langsam rar.

Zweite Annahme:
  • Fare Rule für Buchungsklasse T: Vorausbuchungsfrist von 14 Tagen
  • Fare Rule für Buchungsklasse S: Vorausbuchungsfrist von 12 Tagen

Schade, schade. Wie oben gesehen, gibt es zwar Verfügbarkeiten für „T“ und „S“, aber aufgrund der Fare Rules qualifizieren wir uns nicht für diese beiden Buchungsklassen und deren Preise.

S und T müssen wir streichen
Dritte Annahme:
  • Fare Rule für Buchungsklasse W: Dieser Preis ist nur gültig für Hin- und Rückverbindungen
Auch W müssen wir streichen

Argh, wieder eine Buchungsklasse und damit eine Preisstufe weniger. In unserem Beispiel müssen wir uns also mit Buchungsklasse V begnügen. Der Preisunterschied zwischen „K“ (210 Euro) und „V“ (790 Euro) wäre in unserem Beispiel schon enorm. Dazu kommen noch die Steuern und Gebühren… und bis zu den teuersten Preisen in „B“ und „Y“ ist es noch ein ganzes Stück.

Natürlich führen die Buchungsportale die Prüfung der Faktoren Verfügbarkeit und Fare Rules automatisch durch und zeigen dir sofort den günstigsten Preis an, für den du dich qualifizierst. Aber so läuft das im Hintergrund ab.

Vierte Annahme:
  • Du bist hin- und hergerissen und wartest mit der Buchung noch einige Tage
  • Währenddessen buchen parallel mehrere Reisende unseren Preis in der V-Klasse

Nun hat die Buchungssteuerung der Airline auf die steigenden Buchungen reagiert und die V-Klasse geschlossen sowie die Verfügbarkeiten der Klassen Q – U drastisch verringert.

Die Airline verringert das Angebot

Die Buchungssteuerung wird nun abwarten, wie sich die Auslastung bzw. die Nachfrage für diesen Flug entwickelt und die Verfügbarkeiten entweder wieder erhöhen oder weiter verringern.

3. Zusammenfassung

Folgende Fragen beeinflussen also deinen Flugpreis für die gewünschte Flugverbindung:

  • Tarife – Wie hoch ist die Nachfrage und welche Tarife sind überhaupt verfügbar?
    – Buchungsklassen sind offen oder geschlossen
  • Fare Rules – Welchen verfügbaren Tarif kann ich überhaupt buchen?
    – Halte ich die Vorausbuchungsfristen ein? – Tarif ist nur bis 14 Tage vor Abflug buchbar
    – Halte ich den Mindestauftenthalt (Returntarif) ein? – Rückflug darf nur nach einem Wochenende oder 6 Tagen starten
    – Halte ich den Maximalaufenthalt (Returntarif) ein? – Rückflug muss spätestens einen Monat nach Hinflug starten
    – Gilt der Tarif für eine Oneway- oder Returnverbindung?

    Warum also hat dein(e) Sitznachbar(in) nur die Hälfte gezahlt?

    Weil er/sie…
    …zu einem anderen Zeitpunkt,
    …zu einer anderen Nachfragesituation,
    …für einen anderen Reisezeitraum,
    …für eine andere Reiseart (Oneway vs. Return),
    gebucht hat.

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